Wir machen einen kurzen Abstecher in die Dialektik, weil deren Verständnis ebenso wie das Wissen um die Archetypen zur Grundvoraussetzung höherer Erkenntnis gehört. Immanuel Kant’s synthetische Denkweise der Synthese zwischen Vernunft und Sinneserfahrung im Erkenntnisprozeß eröffnete in der Philosophie die Perspektive eines die dualistischen Gegensätze auflösenden und zusammenführenden philosophischen Denkens. Kant’s synthetische Denkweise des „sowohl als auch“, die für den deutschen Idealismus bzw. für die deutsche Geistigkeit so charakteristisch ist, wurde bei G.W.F.Hegel zum Ausgangspunkt für eine neue dreigegliederte Gedankenkette (Triade), für den in der Dialektik seit Hegel charakteristisch angesehenen Dreischritt von der These über die Antithese zur Synthese. Das Wissen um den dialektischen Dreischritt ist von grundsätzlicher Bedeutung sowohl für das Verständnis Deutscher Geistigkeit als auch, um die Beschaffenheit von Wirklichkeit tiefgründig erfassen zu können.
Der Dreischritt der Hegelschen Dialektik ist eine Denk- bzw. Erkenntnismethode, die in der Vorstellung gründet, daß ein neuer Gedanke (Idee, Erfindung, Denkweise) in der Regel auf der Grundlage anderer, früher geäußerter Gedanken hervorgebracht wird, wodurch ein Spannungsfeld (Widerspruch) zwischen den beiden entgegengesetzten Denkweisen entsteht, das wiederum durch einen dritten Gedanken aufgehoben wird, der die beiden vorhergegangenen Standpunkte zur Synthese führt, indem er das jeweils Beste beider bewahrt, der aber im dialektischen Prozeß wieder zu einer These wird, auf den eine erneute Antithese folgt. Hegel verstand also Vernunft bzw. Erkenntnisfähigkeit nicht als etwas Statisches, sondern als etwas Dynamisches, das sich allmählich Schritt für Schritt entwickelt.
F.W. Schelling, welcher in der Dialektik nicht nur eine Methode sah, sondern darin – wie auch die kosmoterische Ontologie (Kosmoterik) – das Grundprinzip realer Entwicklungen und Seinsordnungen erkannte, verband das Wort Dialektik als erster noch vor Hegel mit dem dialektischen Dreischritt. Schelling, der die Trennung von Geist und Materie gänzlich überwand, sah die Natur als eine lebendige Wirklichkeit, die aus sich selbst wirksam ist und ihre Erscheinungsweisen (Naturprodukte) in einem abgestuften dynamischen Entwicklungsprozeß von der leblosen Natur zu komplizierteren Lebensformen hervorbringt, in dem die Prinzipien der Polarität und der Steigerung wirken. Dabei unterscheidet Schelling zwischen der Natur als hervorgebrachtes Objekt und der Natur als produktiv gestaltendes Subjekt und betrachtet das gesamte Naturgeschehen als einen dialektischen Prozeß des Werdens, durch den sich das Göttliche in einem fortwährenden Schöpfungsprozeß manifestiert. Doch Schelling’s Philosophie, in der das Wesen des Deutschen Idealismus in ganz besonders charakteristischer Weise zum Ausdruck kommt, wurde nur von den wenigsten verstanden.